Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Auswirkungen für Websites und Online-Shops
Ungeachtet dessen, wie man dieses Gesetz, seine Umsetzung und die Auswirkungen politisch bewertet – den Konsequenzen lässt sich nicht ausweichen.
Der 28.06.2025 ist der Stichtag, den das BFSG definiert: Für Produkte und Dienstleistungen, die ab diesem Zeitpunkt in Verkehr gebracht werden, gelten Barrierefreiheitsanforderungen.
Das betrifft etliche Bereiche; in diesem Beitrag wollen wir uns auf das für unsere Kunden und uns Wichtigste fokussieren: Was bedeutet das für Websites und Online-Shops?
Definition: Was ist das BFSG?
Auf Grundlage des European Accessibility Act (EAA) wurde das BFSG bereits im Juli 2021 verabschiedet. Ab Mitte dieses Jahres betreffen die rechtlichen Vorgaben auch die private Wirtschaft. Ziel des Gesetzes ist, dass ausgewählte Produkte und Dienstleistungen von allen Verbrauchern uneingeschränkt genutzt werden können. Dies betrifft also auf jeden Fall Online-Shops aber auch Webseiten, über welche Vertragsabschlüsse per Kontaktformular, E-Mail oder auf sonstige Weise angebahnt werden können.

Auszug aus dem BFSG
Wen betrifft das BFSG?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betrifft eine Vielzahl von Akteuren. Dazu gehören nicht nur Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, sondern auch öffentliche Einrichtungen und Organisationen. Insbesondere Online-Shops, E-Commerce-Plattformen und Webseiten, die Dienstleistungen anbieten, müssen sicherstellen, dass ihre Angebote für alle Nutzer zugänglich sind, einschließlich Menschen mit Behinderungen. Dies bedeutet, dass sowohl große Unternehmen als auch kleine Start-ups sich mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen müssen.
Prinzipiell gilt das BFSG nur B2C, es soll die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen geregelt werden, die von Verbrauchern genutzt werden. Allerdings muss B2B dann sehr deutlich erkennbar sein.
Wen betrifft das BFSG nicht?
Es gibt bestimmte Ausnahmen, die nicht unter das BFSG fallen. Dazu gehören:
- Kleinunternehmen: Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen und einen Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro haben, sind von den Anforderungen des BFSG ausgenommen, sofern sie ausschließlich Dienstleistungen anbieten. Vertreiben Sie Produkte, fallen sie trotzdem unter das BFSG.
- Private Webseiten: Webseiten, die rein privat betrieben werden und keine kommerziellen Dienstleistungen oder Produkte anbieten, sind ebenfalls nicht betroffen. Dazu zählen persönliche Blogs oder Webseiten, die nicht auf Gewinn ausgerichtet sind.
- Bestimmte Inhalte: Inhalte, die nicht regelmäßig aktualisiert werden oder die nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich sind, können ebenfalls von den Anforderungen ausgenommen sein. Dazu gehören beispielsweise interne Unternehmensseiten, die nur für Mitarbeiter zugänglich sind.
Anforderungen an Websites und Online-Shops
Die Anforderungen des BFSG beinhalten unter anderem, dass Websites und mobile Anwendungen barrierefrei gestaltet werden müssen. Dazu gehören:
- Textalternativen: Bilder und Grafiken sollten mit alternativen Texten versehen werden, die den Inhalt beschreiben, damit Screenreader diese Informationen an sehbehinderte Nutzer weitergeben können.
- Navigation: Die Navigation auf der Website sollte klar und intuitiv sein, sodass alle Nutzer, unabhängig von ihren Fähigkeiten, sich problemlos zurechtfinden können.
- Seitenstruktur: Überschriften in korrekter h-Struktur und aussagekräftig
- Farben und Kontraste: Die Farbgestaltung sollte so gewählt werden, dass sie für Menschen mit Farbsehschwächen und anderen visuellen Einschränkungen gut lesbar ist.
- Text: Größe, Zeilenabstand, Schriftschnitt, Farbe
- Tastaturzugänglichkeit: Alle Funktionen der Website sollten auch über die Tastatur zugänglich sein, um Menschen mit motorischen Einschränkungen die Nutzung zu ermöglichen.
- Informationspflicht: Offenlegung der eigenen Bemühungen gemäß BFSG, z.B. über eine eigene Unterseite
- und vieles mehr …
Grundsätzlich sollten die Prinzipien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) Beachtung finden.
Vorteile der Barrierefreiheit
Die Umsetzung von Barrierefreiheitsanforderungen erfordert unzweifelhaft viel Arbeit und bürokratischen Aufwand.
Einige Punkte bergen jedoch aus SEO-Sicht auch Vorteile, bspw. die Nutzung von ALT-Texten, Linktitel und Linknamen, eine durchdachte h-Struktur, reduzierte Formulare, etc. Dies alles sind Maßnahmen, die in technischer und inhaltlicher Hinsicht auf die Suchmaschinenoptimierung einzahlen.
Wird eine geglückte BFSG-Umsetzung prominent kommuniziert, kann dies für einen Teil der Nutzer eine positive Wahrnehmung bedeuten.
Drohen Sanktionen?
In allen Gesetzestexten ist von Marktüberwachungsbehörden die Rede. Diese sind aktuell auf Länderebene nur für öffentliche Stellen eingerichtet. Wie das für Wirtschaftsakteure organisiert wird, ist noch unklar. Geregelt ist aber schon, wie die Überprüfung von Online-Shops und Websites erfolgen soll und dass eine Melde-/Beschwerdestelle eingerichtet wird:

Vorgaben zur stichprobenartigen Prüfung von Websites gemäß BFSG
Es ist also davon auszugehen, dass es durchaus Kontrollen und Denunziation geben wird. Daher:
Die Nichteinhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen kann ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Mögliche Strafen und Maßnahmen sind:
- Bußgelder: Unternehmen, die die Vorgaben des BFSG nicht einhalten, können mit Bußgeldern belegt werden. Die Höhe der Strafen kann variieren, abhängig von der Schwere des Verstoßes und der Unternehmensgröße.
- Abmahnungen: Betroffene Personen oder Organisationen können rechtliche Schritte einleiten und Abmahnungen aussprechen, wenn sie feststellen, dass eine Website nicht barrierefrei ist. Dies kann zu zusätzlichen Kosten und rechtlichen Auseinandersetzungen führen.
- Untersagung der Bereitstellung: Hierzu kann es in sehr schweren Fällen kommen.
Kann man zu 100% barrierefrei werden?
Das ist in unseren Augen nicht möglich und wäre für gängige Online-Shops nur mit absurden Aufwänden möglich. Wir sind der Ansicht, dass es reicht, ein hohes Maß an Barrierefreiheit anzustreben, umzusetzen und zu dokumentieren.
Gibt es Rechtssicherheit?
Auch diese Frage lässt sich leider nicht abschließend beantworten. Das Gesetz ist oftmals nicht eindeutig, dafür aber sehr ausschweifend formuliert. Wie immer werden sich wohl einige Sachverhalte nur in der laufenden Rechtsprechung klären – bis zur nächsten Instanz.
Was tun?
Wir als IT-Dienstleister können Ihnen anbieten, gemeinsam mit Ihnen das Projekt Barrierefreiheit anzugehen. Unsere Vorgehensweise:
- Wir schätzen ein, ob Sie betroffen sind und begründen dies. Das ist nicht rechtssicher, eher eine Empfehlung. Die Entscheidung, ob Ihr Online-Angebot unter das BFSG fällt, müssen Sie selbst treffen, eventuell unter Zuhilfenahme eines spezialisierten Anwaltsbüros.
- Wenn wir davon ausgehen, dass das BFSG Anwendung findet, erstellen wir über zwei verschiedene Tools Analysen, die Fehler nach Schweregrad und Priorität auflisten.
• Mit dem ersten Tool scannen wir nur die Startseite und erhalten einen grafisch ansprechend aufgearbeiteten Bericht zur Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Barrierefreiheitsanforderungen.
• Mit einem zweiten Tool erstellen wir einen Komplettscan (bzw. definierte Bereiche, denn bei größeren Shops kann dieses Tool schon die Serverlast stark erhöhen) und erhalten dann sehr detaillierte tabellarische Berichte mit jeweils zwei Betrachtungsweisen:
– Von der Seite her: welche Fehler befinden sich auf einer einzelnen Seite
– Vom Fehler her: Auf welchen Seiten kommt dieser vor. - Dann erfolgt die gemeinsame Bewertung der Ergebnisse – es handelt sich bei den genannten Werkzeugen um rein technische Hilfsmittel, letztendlich sollte die Bewertung und Einschätzung der Relevanz durch Sie und uns erfolgen.
- Nach der Feststellung des ist-Zustands erfolgt die Planung der Korrekturen
- Umsetzung nötiger Korrekturen durch Datenpflege und ggf. Templateanpassung
- Prüfung der Ergebnisse, ggf. weitere Korrektur-Runden
- Dokumentation Stand Barrierefreiheit auf Informationsseite
- Quartalsweise Neuüberprüfung
Wir melden uns in den kommenden Wochen bei allen Bestandskunden!